Jedes Jahr klauen Diebe Dutzende von Schiffsmotoren
In der Schweiz werden jedes Jahr Dutzende von Schiffsmotoren gestohlen. Die Tendenz ist steigend. Meist bleiben die gut organisierten Täter unerkannt. Ihre Spur führt vor allem nach Osteuropa: Täter aus Rumänien und Litauen wurden gefasst.
Vor rund fünf Jahren wurden die ersten Diebstähle von Bootsmotoren gemeldet. Seither hat sich die Zahl dieser Delikte auf hohem Niveau stabilisiert oder sogar noch zugenommen, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur sda bei zahlreichen Polizeistellen zeigt.
Rund 200 Schiffsmotoren wurden allein in diesem Jahr bis Ende September entwendet. Das waren fast gleich viele wie im gesamten 2013.
Am Bodensee erfasst das Kompetenz-Zentrum Bootskriminalität der Wasserschutzpolizei Baden-Württemberg die Diebstähle. Allein 2013 wurden in Baden-Württemberg 82 Aussenbordmotoren gestohlen. Im laufenden Jahr dürften es nach Auskunft der Fachstelle etwa gleich viele sein. Zum Vergleich: 2012 waren in Baden-Württemberg erst 35 Diebstähle von Bootsmotoren gemeldet worden.
Der «billigste» gestohlene Motor hatte einen Wert von rund 1000 Euro, der teuerste lag bei 15'000 Euro. Hoch gerechnet dürfte allein für den Bodensee von einer Schadensumme von mindestens 200'000 Euro ausgegangen werden.
Vereinzelte Fahndungserfolge
Vereinzelt hat die Wasserschutzpolizei am Bodensee Erfolge verzeichnet: So wurde ein rumänischer Täter aus Moos gestellt und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Ein litauischer Staatsangehöriger wurde nach Diebstählen im Raum Überlingen festgenommen. Zu diesem und einem weiteren Fall wurden aber mit Hinweis auf die laufenden Verfahren keine weiteren Angaben gemacht.
In der Mehrheit der Schweizer Kantone liegt in diesem Jahr die Zahl der entwendeten Schiffsmotoren zwar noch unter jener des Vorjahres. Aber es gibt auch Kantone mit einer massiven Zunahme, wie etwa der Aargau und der Kanton Solothurn mit je 15 Diebstählen. 2013 waren diese beiden Kantone kaum oder im Fall von Solothurn überhaupt nicht von diesem Phänomen betroffen gewesen.
Diese Entwicklung zeigt auch, dass die Diebe nicht wählerisch sind. Sie holen sich ihre Beute auch an kleineren Seen, an Flüssen oder an Kanälen, wie aus den Angaben der Polizeistellen hervorgeht. Dabei spielen Grösse und Gewicht der Motoren keine Rolle.
Bedingte Strafe für Motorendieb
Die Tätergruppen sind in diesem Kriminalitätssegment hoch organisiert, wie die Experten beim Kompetenz-Zentrum in Konstanz feststellen. Diese Erfahrung haben auch die Schweizer Untersuchungsbehörden gemacht. So wurde beispielsweise im vergangenen Jahr in Lungern OW ein 26-jähriger Rumäne in flagranti erwischt.
Der Verdächtige sass zwei Monate in Untersuchungshaft. Er wurde schliesslich rechtskräftig per Strafbefehl wegen Diebstahls zu sechs Monaten Gefängnis bedingt auf drei Jahre verurteilt, wie der Obwaldner Staatsanwalt Bernhard Schöni sagte.
«Es konnten in diesem Fall keinerlei Mittäter eruiert werden, obwohl gewichtige Indizien vorhanden waren, dass der Mann nicht alleine agierte», sagt Schöni. Der Mann habe einfach alles bestritten. Bei der Verhaftung des Diebes waren damals im Fahrzeug sechs Schiffsmotoren entdeckt worden.
Spuren führen in den Osten
Die Diebstähle werden in der Regel nachts in den Häfen, den Bootswerften und auf Trockenplätzen verübt, wie die Berner Kantonspolizei auf Anfrage bekannt gab. Das Diebesgut werde meistens in Lieferwagen verladen, die in Osteuropa zugelassen seien. Die meisten der ermittelten Täter stammten auch aus dieser Region.
Eine Beobachtung, die von der Freiburger Kantonspolizei bestätigt wird. Mehrere Täter hätten bereits identifiziert werden können. Sie stammten mehrheitlich aus Rumänien und Litauen, sagte ein Polizeisprecher. Die gestohlenen Bootsmotoren würden in diesen Ländern zum Verkauf angeboten.
Die Freiburger Kantonspolizei rät den Bootsbesitzern, den Schiffsmotor mit einer speziellen Diebstahlsicherung zu versehen. Über die Seriennummer, die Marke, die Leistung und Besonderheiten sollten detaillierte Fotos erstellt werden.
Auch die Berner Kantonspolizei hat unter dem Titel «Langfinger sind nicht wasserscheu!» einen Flyer erstellt, in dem dazu geraten wird, Aussenbordmotoren mit einem Schloss vor unbefugtem Entfernen zu sichern. Sie hat in Zusammenarbeit mit dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt alle Bootsbesitzer im Kanton angeschrieben, um sie auf die Problematik zu sensibilisieren.
Sicherungen nützen nur beschränkt
Auf die Diebstahlserie aufmerksam geworden sind auch die Versicherungen. Die AXA Winterthur beispielsweise hat bei der Schadenbearbeitung festgestellt, dass zunehmend mehrere Motoren gleichzeitig entwendet werden, und dies unabhängig davon, ob die Boote im Wasser sind oder nicht.
Schiffsmotoren werden über eine Wasserfahrzeug-Teilkasko-Versicherung Diebstahl versichert. Bei einem Nicht-Motorboot muss ein Aussenbordmotor aber in der Police aufgeführt sein, damit er versichert ist.
Die AXA weist die Versicherungsnehmer darauf hin, dass Aussenbordmotoren nach Möglichkeit entsprechend gesichert werden sollten. Auch die Schweizerische Mobiliar rät dazu, Aussenbordmotoren mit dem Schiffskörper fest zu verschrauben oder mit einer mechanischen Sicherung fest mit dem Schiffskörper zu verbinden.
Allerdings schrecken auch diese Sicherungen die professionell ausgerüsteten Diebe nicht ab: Wo nötig, wenden sie brachiale Gewalt an, um einen Aussenbordmotor zu erbeuten.