Weniger Wahlmöglichkeiten bei Pensionskassenmodellen
Die Pensionskassen-Landschaft verändert sich rasant. Kleine Firmenkassen verschwinden, Sammelstiftungen legen zu. Bei den Vollversicherungen bremst die Assekuranz.
Die Auswahl schränkt sich in der beruflichen Vorsorge für kleine Unternehmen immer mehr ein. Nach dem Ausstieg der Axa aus dem Geschäft mit Vollversicherungen bieten mit Swiss Life, Allianz Schweiz, Helvetia, Baloise und Pax nur noch fünf Lebensversicherer das Sorglos-Modell mit einer 100-prozentigen Deckung des Vorsorgevermögens an. Für die Aufsichtsbehörde Finma ist dies fatal. Seit einigen Jahren schrumpft das Prämienvolumen. Nicht weil die Arbeitgeber das Angebot als wenig attraktiv erachten. Nein, die Assekuranz zeigt wenig Lust, Neugeschäft in der Vollversicherung zu zeichnen.
Der Grund für das selektive Vorgehen: eine ungenügende Entschädigung für das notwendige Kapital zur Absicherung der Leistungsverpflichtungen. Dabei nimmt das Vollversicherungsmodell innerhalb der 2. Säule eine gewichtige Stellung ein. Rund 45 Prozent der Beschäftigten in der Schweiz dürften die berufliche Vorsorge bei einer Versicherungsgesellschaft haben. Neben den autonomen und teilautonomen Pensionskassen sowie den Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen ist die Vollversicherung als eine von fünf gesetzlich vorgesehenen Varianten speziell bei Firmen mit wenigen Mitarbeitenden äusserst beliebt.
Sicherheit mit Vollversicherung
Die Lebensversicherer garantieren mit ihrem Vollversicherungsmodell eine hohe Sicherheit. Und Sicherheit ist in der beruflichen Vorsorge der wichtigste Punkt überhaupt. Verschiedene Studien bestätigen, dass die Versicherten dem Sicherheitsaspekt die grösste Bedeutung zumessen. Bei der Wahl einer Pensionskassenlösung ist für sie die Kapitalsicherheit das absolut wichtigste Kriterium. Ähnlich ist es aus Sicht der kleinen und mittleren Unternehmen. Viele KMU wären gar nicht in der Lage, bei einer längeren Unterdeckung neue Mittel aufzubringen. Zudem scheuen die Arbeitgeber das Anlagerisiko und entscheiden sich deshalb in grosser Zahl für eine Vollversicherung. Für diese Unternehmen stehen die Planungssicherheit und die Garantien an erster Stelle. Bei den grossen Versicherungsgesellschaften wird das Modell mit einer Rundumabsicherung unterschiedlich charakterisiert. Interessant ist etwa, dass Swiss Life gemäss der jüngsten Jahresrechnung auch im Vollversicherungsgeschäft die Kapitalkosten verdient. Das weicht ab von Begründungen der Axa-Verantwortlichen, die das gleiche Geschäft als nicht mehr attraktiv einstufen.
Einig sind sich alle Versicherer, wenn es um teilautonome Lösungen geht. Bei diesen Modellen verbleiben die Anlagerisiken in der Regel beim Versicherungsnehmer. Das Tiefzinsumfeld und die längere Lebenserwartung werden für die Vollversicherer immer mehr zur Herausforderung. Die in den Versicherungsverträgen einkalkulierten Anlagerenditen können wegen der niedrigen Zinsen langfristig nicht mehr erreicht werden. Überdies sind die Renten laufend länger auszurichten. Deshalb forcieren die Versicherungsgesellschaften teilautonome Lösungen, bei denen nur die biometrischen Risiken wie Tod, schwere Krankheit und Langlebigkeit abzusichern sind. Das erfordert eine geringere Kapitalunterlegung und ermöglicht eine höhere Rendite als bei der Vollversicherung.
Teilautonome Lösungen werden im Vergleich zu Vollversicherungen meist 5 bis 15 Prozent günstiger offeriert. In guten Anlagejahren kann mit einer teilautonomen Lösung dank einem höheren Aktienanteil eine bessere Performance erzielt werden. Anders ist das bei der stärker reglementierten Vollversicherung, wo meist rund drei Viertel des Portfolios auf festverzinsliche Wertpapiere entfallen und nebst den Immobilien deutlich weniger als 10 Prozent in Aktien investiert sind.
Firmeneigene Kassen verschwinden
Je nach Grösse einer Unternehmung lohnt sich eine autonome Pensionskasse. Das gilt vor allem für kapitalkräftige Firmen. Eine solche Vorsorgeeinrichtung muss juristisch unabhängig sein. Diese eigenständigen Pensionskassen tragen alle versicherungstechnischen Risiken wie Langlebigkeit, Invalidität und Tod. Ebenso tätigen sie die Kapitalanlagen sowie die Verwaltung. Ab 400 Mitarbeitenden kann eine autonome Pensionskasse ohne Rückdeckung sinnvoll sein. Das Management entscheidet innerhalb des gesetzlichen Rahmens selbständig über die Leistungen, die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie die Anlagepolitik.
Die Pensionskasse muss in Eigenregie den vom Gesetzgeber vorgegebenen Mindestzinssatz erwirtschaften. Im härteren wirtschaftlichen Umfeld sterben die kleinen Vorsorgeeinrichtungen jedoch zunehmend aus. Innerhalb von zehn Jahren musste jede dritte Pensionskasse aufgeben. Von den verschwundenen Einrichtungen waren zwei Drittel firmeneigene Kassen.
Gemäss einer Studie des VZ Vermögenszentrums belasten vor allem die steigenden Verwaltungskosten als Folge einer zunehmenden Regulierung. Seit 2014 sind die Gesamtkosten bei Pensionskassen mit weniger als 250 Versicherten um 27 Prozent gestiegen. Gleichzeitig konnten grössere Vorsorgeeinrichtungen die Fixkosten auf mehr Köpfe verteilen.
Wo eine autonome Pensionskasse verschwindet, taucht an deren Stelle in den meisten Fällen eine Sammelstiftung auf. Diese Kategorie der beruflichen Vorsorge hat in der jüngsten Vergangenheit die meisten Zugänge verzeichnet. Für kleinere Unternehmen ist es wenig sinnvoll, eine eigene Vorsorgeeinrichtung zu gründen. Sie können sich mit bedeutend weniger Aufwand einer Sammelstiftung anschliessen. Innerhalb dieser Einrichtung bilden die angeschlossenen Firmen je ein eigenes Vorsorgewerk mit jeweils eigener Rechnung und eigenem Deckungsgrad. Allfällige Deckungslücken müssen vom angeschlossenen Betrieb und von den Versicherten getragen werden. Das Alterskapital wird durch die Sammelstiftung verwaltet, das Todesfall- und Invaliditätsrisiko jedoch oft an eine private Versicherungsgesellschaft übertragen.
Sammelstiftungen: Aufsicht schaut hin
Möglich ist auch der Anschluss bei einer Gemeinschaftseinrichtung. Diese sind vor allem im Gewerbe und bei Berufsverbänden stark verbreitet. Typisch für diese Gruppierung innerhalb der 2. Säule ist der Schulterschluss von mehreren Unternehmen, ohne aber ein selbständiges Vorsorgewerk zu bilden. Es besteht ein gemeinsames Vorsorgevermögen, ein einheitlicher Deckungsgrad und für alle angeschlossenen Arbeitgeber ein einheitliches Reglement. Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen sind jüngst wegen oftmals komplexer Strukturen in den Fokus der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) geraten. Weil sie untereinander im Wettbewerb stehen, gibt es gemäss den Aufsichtsbehörden zusätzliche Anforderungen hinsichtlich Governance, Transparenz und Finanzierungssicherheit. Mit einer einheitlichen Informationsbeschaffung will die OAK eine gleichwertige Risikobeurteilung wie bei den firmeneigenen Vorsorgeeinrichtungen erreichen.
Die Verträge im Bereich der Vollversicherungen und Sammelstiftungen werden in der Regel über ein bis drei Jahre abgeschlossen. Vorsorgeexperten raten, die Konditionen regelmässig neu zu verhandeln. Aufgrund von Konkurrenzofferten lässt sich die Wahl zwischen verschiedenen Vorsorgemodellen objektiver treffen. Ein systematisches Vorgehen kann darin liegen, einzelne Kriterien wie etwa Preis, Abwicklung oder Bonität zu definieren, diese zu gewichten und daraus eine fundierte Empfehlung abzuleiten. Dabei gilt es abzuwägen zwischen einer maximalen Sicherheit, der besseren Verzinsung des Alterskapitals und höheren Umwandlungsätzen und Renten. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung angeschlossen sind, sollten ihre Kasse genau beobachten. Wichtig ist speziell der Deckungsgrad. Rutscht die eigene Vorsorgeeinrichtung in eine Unterdeckung, lässt sich ein Wechsel nicht mehr einfach vollziehen. Tritt eine Firma aus einer solchen Pensionskasse aus, werden die Versicherten mit einer Kürzung der Freizügigkeitsleistung bestraft.
Umstrittene Provisionen
Häufig werden die Konkurrenzofferten durch einen unabhängigen Broker oder Makler eingeholt. Bis anhin wurden diese Dienstleistungen von der Pensionskasse bezahlt. Eine Studie des Beratungsunternehmens c-alm hat diese Provisionen an die Vermittler auf jährlich 300 Millionen Franken veranschlagt. Um die Verwaltungskosten zu senken, will der Bundesrat diese Praxis ändern. Gemäss einem neuen Entschädigungsmodell, das auch vom Pensionskassenverband Asip unterstützt wird, sollen die Broker vom Arbeitgeber und nicht mehr durch die Vorsorgeeinrichtung entschädigt werden. Zudem würde das Provisionsmodell durch eine Honorierung nach Aufwand abgelöst. Anhänger des geltenden Systems argumentieren damit, dass schon heute die Möglichkeit bestehe, einen Broker nach Aufwand zu bezahlen. Nun muss sich im parlamentarischen Beratungsprozess klären, ob diese Freiwilligkeit genügt oder eine neue Vorschrift für mehr Transparenz bei den Maklerentschädigungen sorgt.
Handelszeitung vom 29.10.2019: https://www.handelszeitung.ch/pensionskassenmodelle-weniger-wahlmoglichkeiten